Gemeinsam für das Wir im Quartier

Es war ein Hingucker im September als im U-Bahnhof Wedding ein großes Werbeplakat hing mit den Worten „Gemeinsam für das Wir im Quartier“. Zu sehen waren auf dem Hintergleisplakat die orangefarbenen Kacheln, die für diesen U-Bahnhof typisch sind. Im U-Bahnhof hängt nun wieder alltägliche Werbung, doch das besondere Motiv mit Weddingbezug findet sich nun auf A3-Postern, auf Postkarten und Schokoladentafeln. Das Quartiersmanagement Pankstraße (QM) nutzt es, um Werbung für sich und für mehr Engagement im Stadtteil zu machen.

„Ursprünglich wollten wir mit dem Motiv der orangefarbenen Kacheln auf die Quartiersratswahlen aufmerksam machen“, sagt Quartiersmanagerin Annette Overmeyer. Diese Wahlen für alle Quartiersmanagementgebiete sind aber verschoben worden, voraussichtlich bis in den Sommer 2021. Das QM nutzt das von zwei Studentinnen entwickelte Motiv mit den orangefarbenen Kacheln nun für seine Öffentlichkeitsarbeit.

Die Fliesen vom U-Bahnhof Wedding mit der intensiven Farbe haben Annick Rietz und Emilia Bach als Erkennungsmarke ausfindig gemacht. Im fünften Semester gab ihnen ihre Professorin an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin (HTW) die Aufgabe, für ihre Heimatstadt ein „Citybranding“ zu erstellen. Weil Annick Rietz im Wedding aufwuchs und die Leo-Lionni-Grundschule, damals noch Hermann-Herzog-Schule, besuchte, wollte sie auf jeden Fall für den Wedding eine Stadtmarke entwerfen. „Es ging uns um ein Citybranding für die Menschen, die hier leben; nicht um eine berlinweite Imagewerbung oder gar darum, Touristen anzulocken“, stellen die beiden klar. Deshalb seien die orangefarbenen Kacheln, die jede*r Weddinger*in „sofort dem U-Bahnhof Wedding zuordnen kann“, aber außerhalb unverständlich wirken, die richtige Wahl für eine fiktive Stadtkampagne.

WE Plakat An3Annick Rietz und Emilia Bach vor ihrem Plakat im U-Bahnhof Wedding. Foto: Schnell

Im Kern geht es den beiden bei der Kampagne um das Wir-Gefühl. Deshalb ist das Wort Wedding auf ihrem Plakat abgeschnitten, so dass nur das Englische We (Wir) übrigbleibt. Aus dem Stegreif kommt diese Idee nicht. „Wir haben eine Online-Umfrage mit 300 teils offenen Rückmeldungen ausgewertet“, sagen die beiden. Ihr Fazit: „Die Menschen im Wedding sehen ihren Stadtteil als eine Mischung aus Grün und Beton.“ Sie lebten gern im Kiez, seien aber auch unzufrieden mit der Rücksichtslosigkeit, die sich zum Beispiel im Müllproblem zeige. Die Vielfalt würde als Vorteil wahrgenommen, ebenso das Grün.

Die Idee der beiden Studentinnen scheint aufzugehen. Denn als Annette Overmeyer Anfang dieses Jahres in ihrem E-Mail-Postfach eine Nachricht von Annick Rietz und Emilia Bach fand, war sie von deren Vorschlag sofort überzeugt. „Ich fahre jeden Tag mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zur Arbeit und komme am U-Bahnhof Wedding vorbei. Die Arbeit der Studentinnen hat wirklich aus etwas Alltäglichem eine gewisse Schönheit sichtbar gemacht“, sagt Gesine Schulze vom Vorort-Büro. Im dreiköpfigen Team des Quartiersmanagements haben sich die Mitarbeiterinnen unabgesprochen gegenseitig auf die Mail aufmerksam gemacht. Sie waren überzeugt und es war schnell klar, dass sie unbedingt Kontakt mit Annick Rietz und Emilia Bach aufnehmen wollten.

Ursprünglich entwarfen die beiden Studentinnen für die Seminararbeit neben Plakaten auch eine Schnitzeljagd, ein Community Space in Form eines Kieztreffs in einem Container auf dem Leopoldplatz, eine App und weiteres. Eben eine komplette Kampagne. So umfangreich kann das ursprüngliche Konzept vom Quartiersmanagement nicht genutzt werden. Aber „Gemeinsam für das Wir im Quartier“ auf orangefarbenen Kacheln wird als Motiv nun im Kiez öfter zu sehen sein.

Text und Foto: Andrei Schnell