Der ganze Wedding musiziert!
Großes Mitmach-Konzert auf dem Nettelbeckplatz zum 20jährigen Jubiläum des Programms “Soziale Stadt”
Es ist der 5. September auf dem Nettelbeckplatz. Die vielleicht letzten Sonnenstrahlen eines wunderbaren Sommers bahnen sich hier und da ihren Weg durch die Baumkronen. Kinder klettern auf dem Brunnen herum und planschen im Wasser. Aus verschiedenen Richtungen sammeln sich immer mehr und mehr Menschen, von jung bis alt, teilweise mit Instrumentenkoffern im Arm. Die bereits Eingetroffenen beginnen ihre Instrumente zu stimmen. Nebenbei verlegt ein Tontechniker meterlange Kabel und baut eine Anlage und Mikrophone auf.
Hier passiert was!
Rückblick: Mitte Juni im Büro des Quartiersmanagements. Heinrich Klassen stellt seine Idee von einem spontanen Mitmach-Kiez-Konzert auf dem Nettelbeckplatz vor. Klassen ist Weddinger Musiker und spielt unter anderem Oboe im Stehgreif.Orchester.
Mit seinem Projekt möchte er Musiker, Schulen, Kitas und die Nachbarschaft im Kiez zusammenbringen und gemeinsam mit ihnen musizieren. Hierfür hat er klassische Stücke wie die “Ode an die Freude” von Beethoven, aber auch türkische Lieder zusammengestellt.
Die Agentur georg+georg, bekannt durch ihre unverblümt-Kieztouren, unterstützt ihn bei technischen Fragen. Außerdem wurden Flyer und Plakate im Kiez verteilt. Es gab sogar – ein Novum – eine Großfläche auf dem S-Bahnsteig als Vorankündigung und Beteiligungsaufruf. Alle Interessierten konnten sich vorab auf einer Website informieren, anmelden, Noten und Gesangstexte zum üben runterladen.
So gegen 16 Uhr besteigt Heinrich Klassen, ausgestattet mit einem Funkmikrofon, den Rand des Brunnens auf’m Nettelbeckplatz. Mit einem breiten Lächeln im Gesicht heißt er alle Musikerinnen und Musiker, wie z. B. den Defne Chor, die Kinder aus Humboldthain- und Wedding Grundschule sowie alle Schaulustigen, willkommen.
„Das ist hier heute eine ziemlich einfache Sache“, so Klassen. „Es geht darum, Spaß zu haben und sich kennen zu lernen!“ Viola Schmitzer unterstützt Klassen bei seinem Projekt. Sie ist Choreografin und macht mit allen ein kleines Aufwärm-Programm. Dabei wird gegähnt, sich gestreckt, gelaufen und gehüpft. All das unter der Begleitung der Trommeln eines Bongo-Spielers.
Daraufhin begrüßt auch Sükran Altunkaynak vom Quartiersmanagment Pankstraße die Gäste. Abgesehen davon, dass an diesem Tag das 20-jährige Jubiläum des Programms „Soziale Stadt“ gefeiert wird, ist ihr das Projekt eine Herzensangelegenheit, denn Musik verbindet Menschen.
Laut Plan sollte nun eine gemeinsame Probe der von allen eigenständig einstudierten Songs stattfinden. Kurzerhand entschied Klassen jedoch, dass einfach ohne Probe direkt mit dem Konzert begonnen wird. Es ist eben ein Spontan-Konzert, da weiß man nie so genau, wann was als nächstes passiert …
Klassen hebt die Hände und stimmt zum ersten Stück an. Nach und nach setzen alle Musiker ein. Aus der anfänglichen Kakophonie erwächst langsam Struktur, Rhythmus, Melodie. Jeder kennt ja seinen Part. Diese zusammen zu setzen ist nun die Übung. Beim dritten Mal klappt’s! Für die besondere Stimmung sorgt der Defne Chor, singend und klatschend begleiten sie die Stücke.
Die Stimmung ist ausgelassen. Mehr und mehr neugieriges Publikum gesellt sich hinzu. Lieder, die beim Singen und Spielen besonders viel Spaß machen, werden schlichtweg wiederholt und machen beim nächsten Mal noch viel mehr Freude. Auch ein brasilianischer Opernsänger ist gekommen und intoniert bei Beethovens Ode die Solostellen.
Tobender Applaus nach dem letzten Stück. Die Musikerinnen und Musiker packen langsam zusammen. Im Schatten wird es schnell zu kalt für Finger und Instrumente.
Doch einige folgen der Einladung, gemeinsam mit Pianist Tarek Yamami weiter zu jammen. Sogar ein junges Mädchen mit einer kleinen Kindergeige spielt mit, ein Gast holt seine Trommel wieder heraus und eine begeisterte Besucherin trommelt mit Essstäbchen auf einer Glasflasche. Auch Davi Saavedra ist mit seiner Gitarre gekommen und gibt zum Abschluss einige seiner selbst geschiebenen Songs zum Besten.
Ein musikalisch-fröhlicher Nachmittag auf dem Nettelbeckplatz geht zu Ende. Bereichert um Kontaktdaten, musikalische Erlebnisse und schöne Erinnerung gehen Nachbar*innen und Musiker*innen nach Hause.
Musik war heute der Kitt, aus dem Beziehungen entstehen. Mehr davon!
Text: Anna Lindner, Fotos: Johannes Hayner, georg&georg