Kita Gottschedstraße: “Nicht schlecht”, sagt der Specht
Aufmerksame Leser dieser Website werden sich erinnern: Im Januar 2019 wurde ein Artikel über die gerade laufende Sanierung des 2. Obergeschosses in der Kita Gottschedstraße 28 veröffentlicht (–> Gute Nachrichten für den Kiez). Nun, ein Jahr später, sind die Kinder längst wieder eingezogen. Bei einer Quartiersratssitzung treffe ich Kita-Leiterin Angelika Graß, die mich spontan zu einem Folgebesuch einlädt. Na klar, denke ich, schauen wir doch mal, was daraus geworden ist.
Also Ortstermin in der Gottschedstraße. Frau Graß hat für eine Betrachtung aus der Metaebene Bernd Wille, Geschäftsführer des Trägers “Kinder in Bewegung gGmbH”, hinzugebeten. Wir treffen uns auf eine gemütliche Tasse Kaffee im Graßschen Büro. Fragen wir zunächst nach der Gefühlslage bei den Angestellten des Kindergartens. “Ach, die ist super”, freut sich Angelika Graß. Vor allem, dass die Kolleg*innen selbst Anregungen für Veränderungen einbringen konnten, fand viel Beifall. Und die gewachsene Raumhöhe durch das Entfernen der Zwischendecke macht das Arbeiten im zweiten Geschoss sehr viel angenehmer, nicht nur für groß gewachsene Kolleg*innen.
Die Räume seien nun heller, offener, auch die Akustik angenehmer. Das freut Kinder und Erzieher*innen. Bernd Wille: “Man darf ja nicht vergessen, dass die Menschen hier acht, neun Stunden am Tag sind. Das ist ihr Arbeitsplatz. Je weniger Stress unsere Leute hier haben, desto größer unsere Akzeptanz als Arbeitgeber.” Die Sanierung des Obergeschosses wurde über den Baufond des Quartiersmanagements finanziert und wurde mit 317.000 Euro gefördert. “Kinder in Bewegung” legte dann noch einen Eigenanteil von 37.000 Euro hinzu. Auch das erste Obergeschoss wurde kurz zuvor mit Mitteln aus dem Baufond saniert.
Nach der Sanierung des Obergeschosses sind nun alle pädagogischen Flächen der Einrichtung sukzessive saniert worden, berichtet Bernd Wille. Auch Dach und Fassade sind im Top-Zustand. Einzig ein Specht stört die Ruhe. Immer wieder, so erzählt Angelika Graß, pickt er Löcher in die Fassade, die dann mühevoll wieder geflickt werden müssen. Etwas zu essen findet er dort nicht – anders als die Kinder in der Mensa, die täglich frisch bekocht werden. Ein nächstes – und für dieses Haus abschließendes – Projekt könnte noch die Sanierung der Wirtschaftsflächen wie Küche, Aufzug und Wirtschaftsräume sein. Dafür sind bereits Fördermittel beantragt, das Verfahren läuft noch.
“Kinder in Bewegung” ist kein kleiner Träger. Das Unternehmen hat 650 Angestellte, ist in sieben Berliner Bezirken vertreten und betreut insgesamt 2.500 Kinder. Es liegt auf der Hand, dass Bernd Wille als Geschäftsführer für den baulichen Unterhalt seiner 21 Einrichtungen nach verschiedenen Fördermöglichkeiten Ausschau halten muss. Denn das Gros dieser Kindergärten sind alte Häuser. Zwar bekommt jeder Träger pro angebotenen Betreuungsplatz auch einen Anteil für investive Mittel, sprich für Sanierung, Renovierung und Instandhaltung. Dieses Geld wird auch laufend in die Einrichtungen investiert. Da der Zuschnitt dieser Unterstützung allerdings alles andere als üppig ist und für die Sanierung der teilweise im ziemlich schlechten Zustand vom Senat übernommenen Einrichtungen bei weitem nicht ausreichte, habe sich “Kinder in Bewegung” bei “verschiedenen Fördertöpfen umgeschaut”. Mit Hilfe des Umweltentlastungsprogramms etwa konnte man zunächst vor allem den Energieverbrauch unter Kontrolle bringen. Fassade, Dach und Fenster in der Gottschedstraße wurden saniert.
Für die Erhaltung der Kindergärten an sich gab und gibt es allerdings wenige Fördermöglichkeiten. Diese greifen vor allem dann, wenn tatsächlich Betreuungsplätze in Gefahr geraten, aber so schlimm war der Zustand der Einrichtungen dann doch nicht. So setzte “Kinder in Bewegung” sukzessive Eigenmittel ein, um die sanitären Anlagen in den Einrichtungen auf Vordermann zu bringen.
Bernd Wille und Angelika Graß sind allerdings sehr froh über die offenen Ohren, auf die sie mit ihren Anliegen bei Quartiersrat und Quartiersmanagement trafen. Dies sei bei weitem nicht selbstverständlich, berichtet Wille aus seinem Erfahrungsschatz. Viele Quartiersräte lehnen ähnliche Anfragen rundweg ab, weil sie eine Komplettfinanzierung über den Senat unterstellen. Dass dem nicht so ist, wird oft nicht gesehen. Angelika Graß findet, dass man der Quartiersarbeit anmerke, dass Bildung im Pankstraßenkiez von Anfang an Schwerpunkt der QM-Arbeit sei. So ist auch der Antrag auf Fördermittel zur Sanierung der Wirtschaftsflächen vom Quartiersrat befürwortet worden. “Dann”, so freut sich Bernd Wille, “wäre die Sache richtig rund.” Verglichen mit Einrichtungen in Nicht-QM-Gebieten aber sei man hier klar im Vorteil. Denn dort geschieht Sanierung nur mit Eigenmitteln, Schritt für Schritt über längere Zeiträume.
Seit 2013 hat in Deutschland jedes Kind Anspruch auf einen Kitaplatz. Die Umsetzung dieses Rechtsanspruchs ist allerdings in vielen Bundesländern bei weitem nicht erreicht. Wie bewertet Wille das Engagement der Verantwortlichen? Diplomatisch gibt er zurück, dass er den Politikern ihr Engagement nicht absprechen könne. Allerdings wird der Bedarf, den es zu bedienen gilt, von Jahr zu Jahr größer. Mehr noch als in der Politik sieht er das Nadelöhr in der Verwaltung, die in Berlin bekanntlich zweigliedrig ist. Hat man beispielsweise von einem Bezirksamt eine Baugenehmigung erhalten, muss trotzdem der Senat noch zustimmen. Das führt oft zu Verzögerungen und Missverständnissen, Bernd Wille berichtet von einem Bauantrag für Neukölln, der gerade Geburtstag gefeiert habe. Dort wünschen er und viele andere Verantwortliche in ähnlichen Positionen sich eine deutliche Vereinfachung. An der Umsetzung einer Maßnahme seien einfach zu viele Stellen beteiligt, zu viele Unterschriften notwendig.
Insgesamt betrachtet findet Bernd Wille, dass Berlin der Entwicklung stets etwas hinterher hinke. Zwar fühle er sich mit seinen Anliegen von der Politik gehört; er wird zum Beispiel eingeladen zu Informationstreffen mit Senatoren und Staatssekretären, um Strategien zu besprechen. Aber die Umsetzung der Entscheidungen hält nicht Schritt, wofür er zu großen Teilen die nicht gerade für ihre Flexibilität bekannte Verwaltung verantwortlich macht.
Aber heute freuen sich die beiden Gesprächspartner über die neuen Räume in der Gottschedstraße. Und wer weiß, vielleicht kommen wir bald wieder vorbei: die sanierten Wirtschaftsflächen begutachten.
Text und Fotos: Johannes Hayner