Die Türöffner für Kinder und Jugendliche
Der Palästina Jugendclub (PJC) in der Prinz-Eugen-Straße erhält vom Jugendamt Geld für Miete und Honorare. Dennoch ist die tägliche Arbeit auf viel Ehrenamt angewiesen und zusätzliche Geldquellen müssen immer wieder erschlossen werden. Auch die Aktionsfondsjury des Quartiersmanagements Pankstraße hat bereits mehrfach unterstützt. Ein Besuch vor Ort.
Ein einfacher Stuhl, wie er in vielen Klassenzimmern zu finden ist, steht oft vor dem Ladengeschäft mit den hellblauen Fensterrahmen und dem Schild Palästina Jugendclub. Wer öfter hier vorbeigeht, der weiß, es ist der Privatstuhl von Diab El-Issa. Auch wenn der 68-jährige im heutigen Libanon geborene Palästinenser mit den markanten schwarzen Haaren selten tatsächlich auf diesem Stuhl sitzt. Weil er mit Nachbarn redet, weil mit Kindern spielt, weil er im Jugendclub herumwuselt. „Diab ist unser Türöffner“, sagt Stefanie Köhler vom Trägerverein Karame e.V., „wobei Türöffner im doppelten Sinne gemeint ist: Er öffnet die Tür zum Club und er öffnet uns Türen in die Familien.“ Aber angemessen entlohnen kann Karame e.V. Diab El-Issa nicht. Er bekommt nur eine „symbolische Anerkennung“ für seine Arbeit.
Seit 1997 gibt es den PJC. Und seit 2002 ermöglicht Karame e.V., dass überhaupt bezirkliche Gelder in das Projekt fließen können. „Für alle unsere Aktivitäten sind zusätzliche Gelder nötig“, sagt Stefanie Köhler. Der Bezirk erstattet lediglich die Miete für die Räume in der Prinz-Eugen-Straße 12 und die Kosten für einige Honorarkräfte. „Seit vielen Jahren kämpfen wir darum, vom Jugendamt mehr Finanzierung zu bekommen“, sagt Stefanie Köhler. Man stehe dazu mit dem Jugendamt im Kontakt.
Wegen der wackligen Finanzlage ist das Team vom PJC dem Quartiersmanagement Pankstraße dankbar. In den letzten Jahren konnten dank des Aktionsfonds und der mittel aus dem Programm „Soziale Stadt“ die Räume verschönert werden, zum Beispiel konnte zusammen mit den Kindern ein Mosaikbild angebracht werden. Auch mehrere Ferienaktivitäten ermöglichte der Fonds in den letzten Jahren, zum Beispiel Ausflüge ins Kino, zum Schwimmbad oder in das bei den Kindern beliebte Jump House, das voll mit Trampolinen ist. Aktuell haben Anwohnerinnen und Anwohnern in der Aktionsfondsjury entschieden, dass der PJC über den Fördertopf Lernmaterialien, Spiele und zwei neue Computer anschaffen kann.
Zurzeit sind Yara, Nadine und Michael Honorarkräfte im Palästina Jugendclub. Sie berichten, dass in den letzten Jahren verstärkt Kinder kommen. Vor einigen wenigen Jahren waren es noch vor allem Jugendliche. „Es sind Kinder ab zehn Jahren. Die größeren bringen die kleineren mit“, sagt Yara. Und Nadine beobachtet, dass die Kinder nun mit der Bitte kommen: „Ich will lernen“. Früher waren es dagegen konkrete Hausaufgaben, bei denen die Honorarkräfte halfen.
Durch den Wechsel zur Ganztagsschule würden zwar die Übungsaufgaben für Zuhause wegfallen, doch manches Kind müsse weiterhin Lernstoff üben und nachholen. Deshalb hat sich der Sprachgebrauch angepasst. Nun heißt es Hausaufgabenunterstützung statt Hausaufgabenhilfe. In der niedrigschwelligen Arbeit geht es aber nicht selten um mehr als ums Pauken. „Lernschwierigkeiten, Schulängste, Belastungen, das sind die Probleme, um die es eigentlich geht“, sagen die beiden Honorarkräfte. Der Kinderklub sei auch eine Art Zuhause. In der Schließzeit wegen Corona standen die Kinder vor dem Balkon von Diab El-Issas Wohnung – so sehr fehlte er ihnen.
Anders als der Name denken lässt, steht der PJC nicht ausschließlich palästinensischen Kindern und Jugendlichen offen. Jeder ist willkommen. Die Communitys mischen sich. „Zuletzt waren viele Kinder, deren Eltern aus Libyen kommen, bei uns“, sagen die Honorarkräfte.
Ohne Ehrenamt wäre der Club nicht denkbar. So ist es für Diab El-Issa eine Herzensangelegenheit fast immer da zu sein. Er ist einer der Gründer des Klubs. Vor über 20 Jahren stand dabei noch der Fußball im Mittelpunkt. Nun ist er für viele Kinder so etwas wie der zusätzliche Großvater geworden. Ehrenamt leistet auch Stefanie Köhler: „Wenn ich Projekte beantrage und nach den komplexen Vorgaben abrechne, dann geschieht das im Grunde in der Freizeit“, sagt sie. Dank der „Aktion Mensch“ hat sie immerhin eine Projektstelle bei Karame e.V. in Moabit. Vor einigen Jahren hat sie beim PJC als Honorarkraft angefangen und fühlt sich nach wie vor mit dem Treff auf besondere Weise verbunden. Sie würde gern mehr Honorarkräfte beschäftigen. „Eigentlich müsste täglich einer im Freizeitbereich und einer für die Schulunterstützung anwesend sein“, sagt sie. Aber das Geld reicht meist nur für eine Kraft.
Normalerweise öffnet der PJC werktäglich von 14 bis 18 Uhr. Doch die Corona-Beschränkungen haben die Öffnungszeiten nun auf die Zeit von 16 bis 18 Uhr verkürzt. Diab El-Issa stellt seinen Stuhl dennoch um 14 Uhr vor die Tür. Es kommt immer jemand vorbei, mit dem ein Plausch zu halten ist. Er hält Kontakt – auch ohne faire Bezahlung, ehrenamtlich.
Text und Fotos: Andrei Schnell