Wozu braucht es ein Verkehrskonzept, Herr Dittrich?

Für das Gebiet des Quartiersmanagements Pankstraße (QM) gibt es seit 2019 ein Verkehrskonzept. Dessen Inhalte und vorgeschlagenen Maßnahmen wurden vor kurzem bereits auf dieser Webseite zusammengefasst (Beitrag „Ein Verkehrskonzept fürs Quarier: Auf dem besten Weg“. Aber was kann ein solches Konzept bewirken? Siegfried Dittrich vom Straßen- und Grünflächenamt (SGA) erklärt es.

Mehr als drei Gründe, ein Konzept zu erstellen

verkehrskonzept dittrich asSiegfried Dittrich vom Straßen- und Grünflächenamt. Foto: A. Schnell„In allen Stadtteilen im Bezirk Mitte und natürlich auch in Gebieten mit Quartiersmanagement ist das Thema Verkehr für die Bürgerinnen und Bürger ein wichtiges und wird immer wieder angesprochen.“ Verbunden mit der Diskussion ist natürlich die Erwartung der Menschen, „dass da auch etwas gemacht wird, Maßnahmen umgesetzt werden“. Im Bezirk Mitte gibt es relativ viele städtebauliche Programme in den verschiedenen Quartieren (Sanierungsgebiete, Stadtumbau, Städtebaulicher Denkmalschutz, Aktive Zentren AZ, Quartiersmanagement QM etc.), die Gelder auch für verkehrliche Maßnahmen bereitstellen. Diese müssen dann auch entsprechend beantragt und begründet werden.

Der Sinn eines durchdachten Verkehrskonzeptes liegt in drei Punkten, so Siegfried Dittrich:

  1. Ein Verkehrskonzept liefert Begründungen und Maßnahmenvorschläge für die Bereitstellung von finanziellen Mitteln aus den genannten verschiedenen Förderprogrammen, auch eine Priorisierung nach wichtigen und weniger wichtigen Projekten.
  2. Es ermöglicht aber auch, Projekte bei anderen Programmen des Landes Berlin anzumelden wie zum Beispiel dem Fahrradprogramm und dem Programm zu Querungshilfen beim Fußverkehr der Senatsverwaltung oder dem Investitionsprogramm des Bezirks. Damit wird auch ein gewisser Handlungsdruck erzeugt, hier tätig zu werden und entsprechende Projekte in diesen Programmen umzusetzen. Zum Beispiel wurde die Verbesserung der Querungsmöglichkeiten am Haus der Jugend in die Liebenwalder Straße im Verkehrskonzept Pankstraße als sehr wichtig identifiziert und deshalb bei der Senatsverwaltung als Projekt angemeldet.
  3. Insgesamt führt der Prozess bei der Erarbeitung eines Verkehrskonzeptes dazu, dass sich alle Beteiligten, involvierte Bevölkerungsgruppen, interessierte Verbände und Organisationen in dem Quartier sowie die Verwaltung, klar werden, wo liegen die Probleme, und welche Möglichkeiten der Verbesserung gibt es, auch in Varianten. Dies fördert den gegenseitigen Austausch von Wünschen und Interessen sowie Fachmeinungen, letztlich auch die Transparenz von Fachentscheidungen.

verkehrskonzept einleitungDas Verkehrskonzept für das Gebiet Pankstraße. Darin sind auch konkrete Maßnahmen aufgelistet, die eine Verbesserung bringen könnten. Repro: QM Pankstraße

 Das Besondere am Verkehrskonzept Pankstraße

Ein klassisches Verkehrskonzept besteht aus einer detaillierten Analyse der Konflikte und der Defizite, aber auch der Potentiale im Gebiet. Dazu finden Untersuchungen statt, mit Verkehrszählungen, Befragungen und Begehungen sowie im Rahmen von Workshops die Einholung der Erfahrungen und Meinungen der verschiedenen Bevölkerungs- und Interessengruppen.

Darauf aufbauend wird ein Maßnahmenkonzept erstellt und mit allen Beteiligten diskutiert. Dabei werden inzwischen in der Verkehrsplanung alle Verkehrsarten berücksichtigt, nicht nur Autoverkehr, Öffentlicher Personennahverkehr und Radverkehr, sondern auch der Fußverkehr, der im Bezirk Mitte einen wichtigen Anteil an allen täglichen (Verkehrs-)Wegen hat! Alle diese Teilmaßnahmen werden dann in einem integrierten Gesamtkonzept zusammengefasst, so dass die Maßnahmen für die verschiedenen Verkehrsarten aufeinander abgestimmt sind.

verkehrskonzept schule sulaDie Jugendverkehrsschule in der Gottschedstraße ist ein Ort für Mobilitätsbildung im Quartier. Foto: S. Sallmann

 „In der Pankstraße gibt es einen neuen Baustein, der in bisherigen Verkehrskonzepten nicht so stark vertreten war: Mobilitätsmanagement und -bildung.“ Für Siegfried Dittrich ist der Aspekt des Mobilitätsverhaltens der Menschen „ein Thema, das an Bedeutung gewinnt“. Er nennt ein Beispiel. In der Utrechter und Malplaquetstraße hat der damalige Bezirk Wedding zum Schutz der Schülerinnen und Schüler der Erika-Mann-Grundschule die Fahrbahn baulich verengt. „Wenn ich mich aber dort umsehe, dann kann ich manchmal Autofahrer beobachten, die trotz der Hindernisse viel zu schnell fahren.“ Fortbewegung fängt im Kopf an, ist Siegfried Dittrich deshalb überzeugt. Deshalb wurde, aufbauend auf dem Verkehrskonzept, gerade ein neues Projekt „Mobilitätsbildung zur Förderung des Rad-und Fußverkehrs“ im QM Pankstraße gestartet.

Ebenfalls wichtig: die Untersuchung beschränkt sich nicht auf das offizielle Gebiet des Quartiersmanagements, sondern nimmt ein erweitertes Gebiet zwischen den Hauptverkehrsstraßen in den Blick. So konnten die Wege und Routen der einzelnen Verkehrsteilnehmer realitätsnaher in den Blick genommen werden.

Der wichtige, aber schwierige Schritt der Umsetzung eines Verkehrskonzeptes

 Angesichts beschränkter finanzieller und personeller Ressourcen, können natürlich Maßnahmen, die weniger Aufwand erfordern, schneller umgesetzt werden. Deshalb achtet das vorliegende Verkehrskonzept darauf, dass viele Maßnahmen möglichst einfach umzusetzen sind. „Einfache Maßnahmen, die dennoch wirkungsvoll sind.“ Dazu gehören Mittelinseln für eine sichere Querung der Straßen, Fahrradbügel auf der Fahrbahn vor Kreuzungen um die Sichtbarkeit zu erhöhen, eventuell Änderung der Parkordnung um ein schnelles Durchfahren der Straße zu verhindern. „Deshalb achtet bereits das Konzept darauf, Maßnahmen zu benennen, bei denen vorhandene Finanzierungstöpfe angezapft werden können, zum Beispiel das bestehende Berliner Bordstein-Absenkungsprogramm oder das Fahrradprogramm.“

verkehrskonzept fahrradbuegelEine einfach Maßnahme zur Verbesserung der Mobilitätssituation: neue Fahrradbügel in der Prinz-Eugen-Straße. Foto: S. Altunkaynak

Siegfried Dittrichs Arbeitsfeld

Siegfried Dittrich war 25 Jahre Gruppenleiter im Bezirksamt, zuerst für den Straßenentwurf, dann seit der Fusion im Jahre 2001 für die bezirkliche Verkehrs- und Freiraumkonzepte. „Der Bezirk Mitte hat hier etwas eine Sonderstellung. Die früheren Tiefbauämter und heutigen Straßen- und Grünflächenämter in Berlin haben normalerweise für Verkehrskonzepte keine eigenen Gruppen.“ Auch der alte Bezirk Wedding hatte vor der Reform der Bezirksgrenzen im Jahr 2001 kein solches Team.

Die Konzeptgruppe nimmt für den Bezirk Stellung zu übergeordneten Verkehrsplanungen des Senats. Sie lässt selbst verkehrliche Konzepte für einzelne Quartiere erstellen. Von Anfang an wurden Konzepte und Strategien für den sogenannten Ruhenden Verkehr und zur Parkraumbewirtschaftung beauftragt, die ein wichtiger Teil eines Verkehrskonzeptes sind. Sie kümmert sich aber auch um Freiraumkonzepte, also Parks und Grünanlagen.

 „Für die Beauftragung von Konzepten haben wir kein eigenes Budget, keine Gutachtermittel, außer aus den Budgets der städtebaulichen Förderprogramme“. Für den Teilbereich der Untersuchungen zur Parkraumbewirtschaftung kann das Ordnungsamt Mittel zur Verfügung stellen, weil später dort Einnahmen entstehen. Die Umsetzung der Maßnahmen aus den Verkehrskonzepten erfolgt dann weitgehend in den Entwurfs- und Baugruppen des Amtes.

verkehrskonzept 30 sulaVerkehrsberuhigung: Tempo 30 auf einem Teil der Pankstraße. Foto: S. Sallmann

Siegfried Dittrich geht zum Ende dieses Jahres in den Ruhestand. Mit dem Fahrradzielnetz 2011 und dem Gesamtkonzept zum Parken 2019 sind zwar wichtige Bausteine eines Fachplans öffentlicher Raum und Verkehr für Bezirk Mitte entstanden, ein übergreifendes Planwerk, das die Verkehrskonzepte aus den Quartieren zusammenfasst, konnte aber aus seiner Sicht noch nicht geschaffen werden. Dies hängt sicher auch damit zusammen, dass Mittel immer nur für die einzelnen Fördergebiete vorhanden sind, aber auch, dass für die übergeordnete Verkehrsplanung die Senatsverwaltung zuständig ist. Mit dem neuen Mobilitätsgesetz Berlins, seinen zukünftigen Ergänzungen und den darauf aufbauenden zukünftigen Planwerken der Senatsverwaltung zum Fuß- und Radverkehr sowie öffentlichen Raum, wären dann die entsprechenden fachlichen Grundlagen vorhanden, in die sich das bezirkliche Konzept, seiner Meinung nach, gut einpassen kann.

 Von der nachfolgenden Generation junger Menschen, die sich in Mitte in der Verwaltung, ehrenamtlich oder politisch mit Verkehrsfragen befassen, wünscht er sich, dass sie „weiterhin mit viel Engagement für eine nachhaltige Verkehrs- und Stadtentwicklung kämpfen, aber sich nicht nur auf manchmal modische Ad-Hoc-Maßnahmen konzentrieren, sondern sich mit den fachlichen Zusammenhängen von Stadt, Verkehr und Mobilität auseinandersetzen.“ Dafür bieten die bereits vorhandenen (und zukünftigen) Konzepte eine gute Grundlage!